Lou und Richard Beer-Hofmann
Lou war im Winter 1895-96 in Wien. Von dem gesellschaftlichen Leben hier war sie so beeindruckt, dass sie sich noch am Ende ihres Lebens in ihrem Lebensrückblick gerne und mit folgenden Worten daran erinnert: "Wenn ich die Wiener Atmosphäre im Vergleich zu der anderer Großstädte schildern sollte, so erschien sie mir damals am meisten gekennzeichnet durch ein Zusammengehen von geistigem und erotischem Leben" (S. 106).
Sie hat regen Kontakt zu den Künstlern und Literaten dieses Kulturzentrums und ist in allen Treffen ein gern gesehener Gast. Die Männer liegen ihr in den Lokalen und Zirkeln der Literaten wieder scharenweise zu Füßen, und sie genießt es. Unter ihnen ist diesmal auch der damals 29-jährige Schriftsteller Richard Beer-Hofmann (1866-1945), ein Freund Hugo von Hofmannsthals und fünf Jahre jünger als Lou. Eine Weile spielt er den Verliebten. Und schließlich verliebt er sich in sie tatsächlich. Wahrscheinlich hat sich Lou nicht abgewandt. Denn diese Episode hat sie bis in Einzelheiten in ihrem kleinen Roman Jutta verarbeitet, der erst posthum im Jahre 1981 aus dem Nachlass herausgegebenen worden ist. Darin soll sie gesagt haben, dass die besagte Affäre zu einer "nicht zu Ende gelebten Liebe" geführt habe.