Marie und Mariechen
Im Frühjahr 1903 wird Lous Ehemann Friedrich Carl Andreas, als die Familie noch in Berlin lebt, vom preußischen Kultusminister als Professor auf den Lehrstuhl für Westasiatische Sprachen an der Universität Göttingen berufen. Vor dieser Berufung hat die Familie innerhalb Berlins einen Umzug von Berlin-Schmargendorf nach Berlin-Westend geplant. Zuvor, bereits 1901, hat Lou eine Haushälterin, Marie Stephan, eingestellt und ist mit ihrer Arbeit ganz zufrieden. Marie ist ein einfaches, anspruchsloses Wesen. Sie wird aber zu einer wichtigen Komponente der Familie und - wie es sich später zeigt - übernimmt alle Pflichten Lous. Beim Umzug der Familie nach Göttingen geht sie mit. Am 1. Oktober verlässt Lou zusammen mit ihr Berlin in Richtung Göttingen. In dem neuen Haus der Familie am Hainberg in Göttingen, das Lou Loufried tauft, bewohnt sie selbst das obere Stockwerk. Ihr Mann wohnt, versorgt von Marie, im unteren Stockwerk. Marie empfängt von ihm - angeblich - zwei Kinder, von denen eines jung stirbt. Das zweite Kind, Maria, Mariechen genannt, kommt 1905 zur Welt. Lou begleitet die Schwangere zur Niederkunft in die Klinik. Seltsamerweise wird durch dieses Ereignis ihr Verhältnis zu ihrem Mann belastet, weil sie der Meinung ist, dass es "hätte in diesem Haus nicht geschehen dürfen". Sie scheint ihre Zeit (1897-1901) mit Rilke in der Küche ihrer Schmargendorfer Wohnung in Berlin vergessen zu haben. Während sie selbst ihre Sexualität, die sie ihrem Mann strikt verweigert, anderweitig auslebt, erwartet sie von ihm offenbar ewige Enthaltsamkeit, die er bereits seit 18 Jahren praktiziert.
Mariechen wächst heran und heiratet 1927 den Göttinger Robert Apel. Sie wohnt aber weiterhin, auch nach dem Tode ihrer Mutter im Jahre 1928 und des Professors im Jahre 1930, im Haus Loufried bei Lou und pflegt sie im Alter und während ihrer Krankheit. Lou nennt Mariechens Familie meine kleine Familie und bezieht sogar ihre Schwiegereltern ein, die sie liebevoll Oma und Opa nennt. Nach ihrem Tode im Jahre 1937 wird bekannt, dass sie Mariechen zu ihrer Haupterbin bestimmt hat.